30
Okt
11

Bangkok – Flut-Update 10

Blog übersetzen:

Fast pausenlos Bilder der Überschwemmungen im Fernsehen, immer neue Meldungen im Internet, welche Strasse in Bangkok nun auch unter Wasser steht, die internationalen Medien vermelden sinngemäss „Bangkok unter Wasser„. Irgendwie passen diese Nachrichten gar nicht zu meinem Bild im Raum um das Victory Monument. Die Strassen sind trocken, in den mobilen Garküchen am Strassenrand wird gekocht und gebraten, Leute kommen und gehen, die Motorradtaxis warten auf Kunden – die Umgebung ist friedlich wie immer. Das Wasser im Khlong Sam Sen fliesst nach wie vor in Richtung Makkasan, Strömung und Wasserpegel sind in etwa gleich.

Saphan Taksin. Für Samstag ist um ca. 18:30 Uhr der höchste Stand des Flusses vorausgesagt. Ich bin um 15:55 Uhr vor Ort, der Pegelstand ist gegenüber meinem letzten Besuch hier leicht gesunken, man kann zur Zeit knapp trockenen Fusses zur Anlegestelle gelangen. Solche Schwankungen von Stunde zu Stunde seien aber normal, sagt man mir. Anschliessend Fahrt zum Bahnhof Hua Lampong. Dort gehe ich dem Khlong Phadung entlang bis zur Thanon Ni Chong Sawatdi. Im „Swat Market“ esse ich eine frische Mango – ja, heute Vormittag habe es „Nam Thuam“, Hochwasser, gehabt, etwa 20 Zentimeter hoch. Die nebenan liegende Thanon Charoen Krung steht stellenweise unter Wasser. Es fliesst aus der kniehoch überschwemmten Thanon „Soi Wanit 2 Charoen Phanit“, der Strasse mit den vielen mechanischen Werkstätten. Eine Polizistin in rötlichbraunen, kniehohen Stiefeln regelt den Verkehr. Ein ausländisches Kamerateam hat das Stativ im Wasser der überschwemmten Soi Wanit 2 aufgestellt und filmt die Leute im Wasser.

Ich bin am Donnerstag in dieser kleinen Strasse im Wasser gestanden, diesmal lasse ich es sein und gehe bis zur Thanon Songwat. Gelegentlich hat es Abschnitte, die 10 oder 20 Zentimeter unter Wasser stehen; Wasser in dieser Höhe ist aber nicht der Rede wert, da schon alleine das Trottoir ca. 10 Zentimeter hoch ist, zusätzlich wurden die Hauseingänge mit Sandsäcken oder Mauern geschützt. Darüber wird es aber gefährlich, wenn Wasser eindringt, Läden und Wohnungen zerstört; immer wieder gibt es Tote durch Stromschläge.

Der Fluss hat einen Parkplatz an der Thanon Songwat überschwemmt. Von der Strasse her führt ein Brettersteg zwischen den Häusern durch zu einem kleinen Landungssteg einer Fähre. Zwei Männer gehen nicht an Bord der Fähre, sie füttern die Fische mit Toastbrot. Die Anlegestelle auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses steht tief unter Wasser, die nebenan liegenden Lagerhäuser sind mit einer massiven Sandsackwand geschützt. Die Szenerie hat etwas Unwirkliches an sich: die tief stehende Sonne taucht die Häuser am Chao Phraya in ein schönes, sanftes Licht, über „Chinatown“ hat sich eine einzige grosse weisse Wolke gebildet – während nördlich gelegenen Distrikte unter Wasser stehen und die Fluten auch schon bald hier erwartet werden. Es wird dunkel, ich gehe zu Fuss der Strasse entlang. Ein Motorradpolizist hält an und nimmt mich bis zum Bahnhof Hua Lampong mit.

Auch wenn ich meine persönliche Situation als im Prinzip problemlos erlebe, möchte ich auf keinen Fall einen falschen Eindruck erwecken: es stehen nach wie vor riesige Landstriche in Thailand unter Wasser, die Menschen leben seit Wochen „im Wasser“, haben existenzielle Probleme, jeden Tag sterben Menschen. Viele Fabriken sind überflutet, Hunderttausende fürchten um ihre Stelle oder haben sie bereits verloren. Auch die nördlich gelegenen Distrikte von Bangkok stehen massiv unter Wasser, die Menschen dort tragen die ganze Last: um Bangkok vor den Fluten zu schützen, versinkt ihr Gebiet hinter den Sandsackbarrieren. Immer wieder gibt es Berichte über Anwohner, die sich „Linderung“ ihrer persönlichen Not durch Zerstörung eines Sandsackdeiches oder eines Dammes erhoffen.

Und doch sind die Augen der internationalen Medien vorallem auf das Zentrum von Bangkok gerichtet – wird es überflutet oder nicht? Im Twitter wird jeder noch so kleine Wasserstand gemeldet, ausländische Kamerateams sind vor Ort und filmen den im Wasser stehenden Reporter, ein erfahrener  amerikanischer Kriegsreporter ist aus Afghanistan nach Bangkok gereist und schreibt u.a. „Disease is on the way“ (gemeint ist Cholera). Dramatische Fotos zeigen Menschen auf Lastwagen, die durch das brusthohe Wasser fahren oder Flugzeuge, die auf dem Flugplatz Don Mueang im Wasser stehen – und „Planespotters“ berichten, dass das zum Teil alte, ausgemusterte  Flugzeuge seien, bei denen die Triebwerke abmontiert sind. Auch wird von „Flucht“ aus der Stadt berichtet. Ich merkte nichts von einer „Flucht“, die Leute haben vielmehr die 5 Tage verordnete Ferien dazu benutzt, um zum Beispiel ihre Familien im weit entfernten Isaan zu besuchen. Ich gehe in jeden Laden, den ich bei meinen Streifzügen durch die Stadt sehe und schaue mir das Warenangebot an: jawohl, die Regale sind nicht voll – aber die Läden sind auch nicht leer, wie zum Teil geschrieben wird. Was fehlt sind z.B. Toastbrot und vorallem Trinkwasser. Süssgetränke und Bier hat es genügend, seit ca. 3 Tagen sind auch wieder Milchprodukte vorhanden. Ein paar Tage lang gab es auch keine Eier zu kaufen oder nur zu hohen Preisen.

In den englischsprachigen Foren wird über die widersprüchlichen Informationen der Regierung, des Militärs und der BMA (Bangkok Metropolitan Administration) geschrieben. Mal heisse es so, mal anders, man wisse nie woran man sei, wird da geklagt. Dabei ist das eigentlich der normale Zustand, die Nachrichtenlage ändert sich laufend; jeder muss seine Situation immer wieder selber neu beurteilen und Entscheidungen treffen. Eine thailändische Filmfirma hat die Gefahren und das richtige Verhalten sehr gut in kurzen Videos zusammengefasst: „We are not only being flooded by floodwaters, but also by information“ – sehr sehenswert die bislang fünf Videos (Youtube.com, in Thai, mit englischen Untertiteln).

Am Montag wird ein weiterer Höchststand des Chao Phraya erwartet – hoffen wir, dass die Dämme halten.

Alle Bilder sind vom 29. und 30.10.2011.

Diese Diashow benötigt JavaScript.


4 Antworten to “Bangkok – Flut-Update 10”


  1. 1 Rigue
    31. Oktober 2011 um 08:49

    Meine Meinung,hier haben diverse Leute die groessten Fehler gemacht die es gibt, haetten diese Leute dieses Wasser, dieses jetzt in vielen Randbezirken und Stadtteilen von Bangkok steht bzw. Bangkok bedroht vom ersten Tag freien lauf gelassen, waeren alle Teile mit etwas Wasser getroffen worden aber nicht wie es jetzt ist das Bezirke Metertief im Wasser stehen und noch einige Zeit im Wasser stehen werden und alles haette heute seinen taeglichen und gewohnten Ablauf wie es sein sollte. Es mag sein das es dieses Jahr mehr geregnet hat wie in anderen Jahren, seit ich in Thailand bin (1997) ist mir selber kein grosser Unterschied aufgefallen das es soviel mehr ist. Das ist mis-managment von den Staudaemmen und sonst gar nichts und dann ist es das Problem das diese Leute denken sie koennen solche Wassermassen zurueckhalten mit Sandsaecken, bricht hier einer oder dort einer wird der naechste Bezirk geflutet. Zu den Zeiten als die Schleusen noch geoeffnet wurden konnten, haben sie diese minimal geoefnnet und gewartet bis alles voll ist. Ich habe bis heute noch nichts gehoert das Laos, Kambodscha, Vietnam, Burma von derartigen Ueberflutungen betroffen wurden wie Thailand, oder hat es dort nicht geregnet ?

  2. 2 Thorsten Roever
    31. Oktober 2011 um 08:31

    Vielen Dank für deine realistischen Situationsbeschreibungen und Bilder.
    Leider haben viele Berichte der großen Medien nicht viel mit der Wirklichkeit zu tun.
    Ich wohne selber in Bangkok und wundere mich immer wieder, wo sie die Horrormeldungen hernehmen.

    Grüße
    Thorsten


Hinterlasse einen Kommentar


Um neue Beiträge per E-Mail zu erhalten, hier die E-Mail-Adresse eingeben.

Schließe dich 38 anderen Abonnenten an

Kalender

Oktober 2011
M D M D F S S
 12
3456789
10111213141516
17181920212223
24252627282930
31  

Bewertung der Beiträge

Blog-Archiv

Links


Bloggernetz - der deutschsprachige Pingdienst

Blogverzeichnis

Blog Verzeichnis

Blogverzeichnis - Blog Verzeichnis bloggerei.de

Blogverzeichnis

 | 

Top-Klicks

  • Keine